Was ist passiert?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt: § 2270 BGB, eine Vorschrift, die für gemeinschaftliche Testamente gilt, findet auf Erbverträge keine Anwendung – auch nicht entsprechend. Das Urteil kann erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung und Auslegung von Erbverträgen haben.

Worum geht es in § 2270 BGB?

  •  2270 BGB betrifft wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten – also Regelungen, bei denen die eine Verfügung nicht ohne die andere gedacht ist (etwa: „Wenn du mich als Alleinerben einsetzt, setze ich dich auch als Erben ein“). Aus solchen Verfügungen ergibt sich häufig eine gegenseitige Bindung, die nicht ohne Weiteres widerrufen werden kann.

Warum ist das bei Erbverträgen anders?

Ein Erbvertrag ist ein rechtlich bindender Vertrag, der – anders als ein Testament – nicht einseitig abgeändert werden kann. Der BGH hat nun entschieden, dass die Regelung des § 2270 BGB ausschließlich für gemeinschaftliche Testamente gilt, nicht jedoch für Erbverträge.

Das bedeutet:

  • Eine spätere testamentarische Verfügung ist unwirksam, wenn sie gegen die Bindungen eines Erbvertrags verstößt (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB).
  • Die Bindungswirkung in einem Erbvertrag ergibt sich nicht durch gesetzliche Vermutung (wie in § 2270 BGB), sondern nur aus dem ausdrücklich erklärten oder auslegbaren Willen der Vertragspartner.

Was bedeutet das konkret für Sie?

Wenn Sie eine erbrechtliche Regelung treffen möchten oder betroffen sind:

Erbverträge binden stärker als Testamente. Eine Änderung ist meist nur möglich, wenn sie ausdrücklich im Vertrag vorbehalten wurde.

Spätere Testamente sind in der Regel unwirksam, soweit sie den vertraglich bedachten Erben benachteiligen würden.

Eine „analoge Anwendung“ von § 2270 BGB auf Erbverträge ist rechtlich ausgeschlossen. Auch die sogenannte „Zweifelsregel“ aus § 2270 Abs. 2, wonach im Zweifel eine Bindung angenommen wird, lässt sich bei Erbverträgen nicht heranziehen.

Wie wird der Erbvertrag ausgelegt, wenn etwas unklar ist?

Der BGH hat in seiner Entscheidung auch hervorgehoben, wie in solchen Fällen vorzugehen ist:
Wenn eine bestimmte Situation im Erbvertrag nicht geregelt ist, wird geprüft, was die Vertragsparteien mutmaßlich gewollt hätten – das nennt man ergänzende Auslegung.

Dabei kommt es auf Folgendes an:

  1. Gibt es eine Regelungslücke im Vertrag?
  2. Lässt sich ein hypothetischer Wille der Erblasser erkennen?
  3. Gibt es objektive Anhaltspunkte für eine bestimmte Absicht (z. B. durch Erbverzicht anderer Personen)?
  4. Ist der ermittelte Wille formgültig angedeutet?

Fazit: Worauf sollten Sie achten?

  • Wenn Sie an einem Erbvertrag beteiligt sind – etwa als Elternteil oder Kind – bedenken Sie, dass dieser rechtlich bindend ist.
  • Eine spätere Änderung (z. B. durch Testament) ist nicht ohne Weiteres möglich.
  • Vertrauen Sie nicht darauf, dass Regelungen wie § 2270 BGB Sie absichern – sie gelten nicht für Erbverträge.
  • Im Zweifel empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, insbesondere beim Aufsetzen oder Auslegen von Erbverträgen.

Tipp: Erbverträge sind komplex und wirken weit in die Zukunft. Wenn Sie als Erblasserin, Erbe oder Erbin betroffen sind, ist eine anwaltliche oder notarielle Beratung der sicherste Weg, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Julia Hoffmann – Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht

www.anwalt-experten.de/rechtsanwaeltin-julia-hoffmann/

 

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